03.09.1999

Komik, Kraft und Leidenschaft

Eine berauschende Show zeigten junge Varieté Künstler in Ellis Saal in Weiterode. Ein tolles Programm in tollem Ambiente.

WEITERODE: Eine kleine Nebelmaschine hinten im Eck. Bescheidene graue Schwaden wabern über den Holzboden der kleine Bühne von Ellis Saal. Einfach und schlicht. Ein Ambiente, in dem die Künstler aus dem eigenen Vermögen schöpfen müssen, um ihr Publikum in den Bann zu ziehen.

Die jungen Varieté-Künstler, die aus aller Welt den Weg in Ellis Saal nach Weiterode gefunden haben, besitzen das Vermögen, aus sich selbst zu schöpfen. Alle, durch die Bank weg.

Eine kleine Delegation der Mitstreiter um den Internationalen Deutschen Varieté-Preis, um den junge Künstler derzeit unter dem Motto „Traumtänzer" in Kassel streiten, war in Ellis Saal gekommen. Klein aber bunt, vielfältig. Abgesehen von Trapeznummern, dafür ist der grosse Saal denn doch zu klein, wurde dem Publikum alles geboten, was man sich von einem Varieté-Abend wünschen kann. Ein Abend ohne Höhepunkt. Der ganze Abend war ein einziger Höhepunkt.

Der Clown James Goodwin beispielsweise. Nichts besonderes eigentlich, was er da macht. Er hat Probleme mit der Technik, wer kennt das nicht. Das Mikrofon, das nicht so tut, wie er will. Die schweren Gewichte, ganz offensichtlich Schaumstoffatrappen, die er unter grösster Anstrengung zu stemmen versucht und leider am dreifachen Doppelkinn scheitert. Als er sie endlich über Kopf hat, ziehen sie ihn plötzlich in die Höhe. Hupps. Verkehrte Welt. Aber so ist sie eben. Und das macht die Clowns ja so sympathisch. Besonders Goodwin. Weil er auch auf der Bühne irgendwie einer von uns bleibt.

Oder das Duo Maccagi. Tempo, Tanz und Timing ist das Motto, unter das sie ihre fetzige Show stellen. Hier geht es ganz offensichtlich um Kraft. Voller Energie und Dynamik heizen die beiden ihrem Publikum ein. Hüpfen in einarmigen Handständen über die Bühne oder schlagen Salti. Moderne Hip-Hop-Akrobatik, die zeigt, dass Varieté ein lebendiges Genre ist. Fähig, neue Kunstrichtungen aufzunehmen.

Bestimmt nicht weniger kraftvoll, aber doch so anders die Darbietung von Anatolii Zalevskyi, wohl der bekannteste Künstler dieses Abends. Wenn man ihn sieht, ist man weg. Allein soviel Energie, gepaart mit soviel Eleganz, würde seinen Auftritt unvergesslich machen. Was Zalevskyi so besonders macht, ist die intensive Leidenschaft, mit der er seine Handstände mit vertikal gestrecktem Oberkörper in fliessenden Bewegungen vollführt. Was ist Schwerkraft? Was ist Bodenhaftung? Traumhaft.
Ines Pohl
Quelle: HNA 03.09.1999

zurück

nach oben