30.09.2003

Einer, der uns geblieben ist

Sympathisch und mit viel Poesie: Hannes Wader sang in Ellis Saal
Von Vera Walger
WEITERODE. Meine Eltern hatten eine Platte von Hannes Wader. Sie ist ungefähr so alt wie ich, und ich habe sie schon ungefähr 700-mal gehört. Auf dem Cover ist ein Foto des Sängers. Er trägt Bart und ein blaues Fischerhemd.
Es ist derselbe Mann, der da an einem Sonntagabend im Jahr 2003 auf der Bühne in Ellis Saal steht. Der Bart ist noch da, die große Nase. Er hat sogar ein blaues Hemd an. „Ich bin geblieben", singt er. Und da ist es, das altbekannte Timbre in der Stimme, eine kleine Spur dumpfer vielleicht als auf der Platte meiner Eltern.

Er besingt den November, wir fühlen uns geborgen.

Aber das macht nichts. Wenn Hannes Wader den nordfriesischen November besingt, fühlt man sich noch immer geborgen.
Die 60 hat er überschritten, und Hannes Wader ist keiner, der so tut, als wäre das nicht so. Im Gegenteil, zwischen den Liedern spricht er viel vom Alter. Gänzlich unaufgeregt streut er seine lakonischen, witzigen Weisheiten in den prall gefüllten Weiteröder Saal. Er spricht von „einem barmherzigen Trick der Seele, der es einem erlaubt, auch wenn man nur Scheiße gebaut hat, auf ein erfülltes Leben zurückzublicken. Er redet auch von seinen eigenen Schwächen. Spontan dichten, das sei eine Fähigkeit, die ihm gänzlich abgehe: „Ich brauche Monate, um einen Text aufs Papier zu friemeln`, sagt er. Und fügt hinzu: „Na ja, ich bin zufrieden."
Wenn er mal den Text vergisst, vertuscht er es nicht.
Wohltuend ist so jemand wie Hannes Wader in einer Zeit, in der alle herausschreien, wie toll sie sind. Wohltuend ist es auch, dass er nach wie vor einfach so Lieder singt, ganz ohne Rhythmusgruppe und Synthesizer, nur mit der Gitarre vorm Bauch. Wenige besingen Landschaften so schön wie er. Blühende Bäume, Monde, Rosen und der Novemberregen werden bei ihm so ungemein plastisch.
Zeitlos ist diese Poesie. Bei Hannes Waders politischen Liedern ist das ein bisschen anders. Wenn er seine Zuhörer auffordert, mitzusingen „wenn ihr gegen den Krieg seid", dann fühlt man sich wie in den 80ern, als Demonstrieren Pflicht war. Aber es fällt nicht schwer, ihm das zu verzeihen.
„Ich bin auf meinem Weg schon so lang", singt Hannes Wader, es ist die erste von drei Zugaben. „Bin müde und leer." Aber wir hoffen, dass er noch lange nicht am Ziel ist.

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