18.02.2008

Ein Gesicht, das Bände spricht


Ein Gesicht, das Bände spricht
Schwarzenberg-Theater reißt Politikern Masken vom Gesicht - Ellis Saal ausverkauft
VON IVONNE BALDUF

WEITERODE. Skeptisch blickt sie mit zusammengekniffenen Augen ins Publikum. Die Lippen sind leicht geöffnet und die Mundwinkel nach unten gezogen. Die Füße berühren sich an den Fußspitzen, was einen recht unsicheren Eindruck vermittelt. Die Rede ist von dem „letzten Überbleibsel des Eisenbahntanzorchesters Bebra”alias Kerstin Röhn, Teil des Schwarzenberg-Theaters, das jetzt vor restlos ausverkauftem Haus in Ellis Saal aufgetreten ist.
Röhn begeistert das Publikum, indem sie Musik macht und tanzt - immer in ihrer Rolle der leicht schrägen und verklemmten Musikerin im altmodisch blauen DB-Kostüm. Bis auf ein zweimaliges Jiiiiha, als sie gegen Ende des Abends etwas auftaut, kommt kein Wort über ihre Lippen. Braucht auch gar nicht, ihr Gesicht spricht Bände.
Das Reden übernimmt Bernd Köhler in Figur des Justus Riemenschneider, der beweist, dass die Zunge schärfer als jedes zweischneidige Schwert ist. Riemenschneider, der Sprach Jongleur, haut seinem Publikum die Pointen und spitzfindigen Erkenntnisse in einem Tempo um die Ohren, dass es ihm schwindlig wird.

Das neue Kabarett-Programm handelt von der Entstehung des Weltalls, die der Kabarettist immer wieder genial mit dem politischen Tagesgeschehen in Verbindung bringt.
Selbst der Fund fossiler Steine lässt ihn die Brücke zur großen Koalition schlagen oder wahlweise auch zu seinem zweiten Lieblingsthema, der Gattung des Nordhessen, dem Homo Nordhessicus, wie er ihn nennt.
Merkel, Koch und Eichel - keiner kann den frechen, respektlosen Schlussfolgerungen Riemenschneiders entkommen. Gnadenlos demaskiert er die Eigenheiten, den Gestus und die Winkelzüge der prominenten oder weniger prominenten Mitmenschen.

Bei Riemenschneider paaren sich linguistische Geniestreiche à la „ausge-Merkel-te Schleimspuren” und gewiefte Pausen, die mit den Erwartungen des Publikums in Ellis Saal in Weiterode spielen: „Nur hier in Nordhessen, westlich vom Kloster Cornberg, fand ich die schönsten bekloppten” sagt er und fügt erst nach ein paar Sekunden „Steine” hinzu.
---- ZUM SCHMUNZELN

Zum Schmunzeln und Nachdenken

Darüber lachte das Publikum vom Schwarzenberg-Theater:

Über die kaputte Taschenuhr:
„Mein Uhrmacher hat gesagt: Nur mal schütteln. Mehr macht er auch net.”

Über Angela Merkel:
„Die läuft immer mit angewinkelten Armen auf die anderen Staatsmänner zu. Da meinste, sie wird vom Elektromotor angetrieben.”
Über den Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich:
„Die haben als First Lady die Carla Bruni, wir haben immer noch den Joachim Sauer.”

„Präbiotik, das heißt Vor-Leben, also das, was beim Nordhessen erst nach der Hochzeit rauskommt.”
„Hans Eichel hat der Knippichkeit der Nordhessen ein Gesicht gegeben.”
„Struck trägt seine Haare mittlerweile offen – auf den Zähnen.”
Die Kandidaten der vergangenen Landtagswahl verglich der Kabarettist mit Hasen auf einer Rassezuchtschau:
Koch, der schwarze Rammler, hat dauernd rechte Haken geschlagen. Ypsilanti, das possierliche Bunny, ist nur auf ihrer Position hocken geblieben, bis er net mehr konnte. Ich fürchte, am Ende kriegt unser Schwarzer im eigenen Stall `s Fell über die Ohren gezogen.
Über die Familienministerin Ursula von der Leyen und die Krippenplatzdiskussion:
XXL-Mütterchen von der Leyen - Honeckers verspäteter Racheengel.

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