27.09.2010

Mit Draht zum Publikum

Weiterode. Ingo Oschmann ist keiner, der sich vor sein Publikum stellt und einfach nur ein immer gleiches Programm abspult. Das merkt man bei seinem Auftritt in Ellis Saal in Weiterode schon nach fünf Minuten. Da hat Oschmann schon regen Kontakt zu seinen Zuhörern aufgenommen: Den zehnjährigen Finn hat er zum Beispiel schon gefragt, ob er nicht eigenlich ins Bett gehöre (Oschmann: „Das ist ja eigentlich ein Fall fürs Jugendamt.“). Und einem älteren Herrn hat er schon ein Kompliment gemacht: „Sie sind 86? Sie sehen aber noch aus wie 85!“


Genau so geht es den ganzen Abend weiter: Ingo Oschmann erzählt aus seinem Leben – und das Weiteröder Publikum redet mit. Ein zentrales Thema des Comedians: die 70er- und 80er-Jahre. Oschmann flucht über nervige Schrankbetten, erzählt vom Bandsalat im Kassettenspieler und lobt seine Fernsehhelden: „McGyver konnte damals aus einem Bleistift ein U-Boot bauen. Paris Hilton kann heute nicht einmal mit einem Bleistift das Wort U-Boot schreiben.“ Neulich habe ein Mädchen zu ihm gesagt, wie schrecklich doch die Kleidung in den 80ern gewesen sei, erzählt Oschmann: „Das stimmt natürlich. Aber Kleidung kann man ausziehen – ein Arschgeweih nicht.“

Ein bisschen Kritik an unserer heutigen, schnelllebigen Gesellschaft ist auch dabei: Zum Beispiel wenn Oschmann darüber spricht, wie schön es doch damals war, auf die Entwicklung eines Fotofilms warten zu müssen – und schlechte Fotos nicht sofort wieder vom Digitalkamerachip löschen zu können.

Oder wie schön es doch war, als sich Kinder auf Geburtstagen noch unterhalten hätten – anstatt mit einem iPhone in der Ecke zu sitzen.

Aber Oschmanns Gesellschaftskritik ist wohl dosiert und nervt nicht. Generell gelingt es dem Comedian, bei seinem Auftritt eine gute Balance zu finden: Nicht jeder Satz ist ein echter Kracher, bei dem das Publikum vor Lachen am Boden liegt. Bei vielem sitzen die Zuschauer auch einfach nur grinsend da und nicken – weil das Alltägliche, von dem Oschmann erzählt, ihnen direkt aus dem Herzen spricht: egal ob es um Kochen, Sex oder Fernsehen geht.
Dann wird’s magisch

Zwischendurch wird es auch magisch beim Auftritt des Comedians: Oschmann, der früher hauptberuflich als Zauberer arbeitete – „auf Firmenfesten, Geburtstagen und Beerdigungen“, wie er sagt – zieht ein Bild, das eine Zuschauern zuvor gezeichnet hat, aus einer frischen Orange.

Aber egal ob er sein Publikum zum Lachen oder zum Staunen bringt: Ingo Oschmann zeigt bei seinem Auftritt in Weiterode in jeder Sekunde Präsenz. Er ist nicht einfach nur da, nein, er ist mit Herz und Seele dabei. Das merkt man, wenn er sich selbst vor Lachen kaum zurückhalten kann und grunzend und stampfend über die Bühne läuft. Und das merkt man, als er in der Pause durchs Publikum läuft und fragt, wie es denn so gefalle.

Am Ende, nach über drei Stunden Programm, bekommt Ingo Oschmann dafür jede Menge Applaus und Ovationen im Stehen: „Das ist das schönste Geschenk, was ihr mir heute Abend machen konntet “, sagt er. Man glaubt es ihm.

Von Stefan Düsterhöft

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